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Beitrag vom 20.05.2021
Wehrhafte Kunst. DAGESH-Kunstpreis 2021 geht an Talya Feldman
AVIVA-Redaktion
Die Künstlerin ist Überlebende des rassistischen und antisemitischen Anschlags in Halle an Yom Kippur. Ihre Arbeit präsentiert u. a. Sprachaufnahmen von Überlebenden rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, Familien der Terroropfer und Initiativen, die gegen rechten Terror kämpfen. Ihre Installation "The violence we have witnessed carries a weight on our hearts" wird vom 21. Mai bis Ende Juli 2021 im Jüdischen Museum Berlin gezeigt.
Die Künstlerin Talya Feldman wird mit dem 2. DAGESH-Kunstpreis ausgezeichnet. Der Preis wird vom Jüdischen Museum Berlin (JMB) und DAGESH. Jüdische Kunst im Kontext verliehen. Er stärkt eine neue und vielfältige Sichtbarkeit jüdischer Gegenwartspositionen und zeichnet Werke aus, die sich mit den Problemen der Gegenwart und der Frage von Zusammenleben auseinandersetzen.
Die achtköpfige Jury wählte das Kunstwerk aus 60 Einreichungen zum Thema "Wehrhafte Kunst" aus. In ihrer multimedialen Arbeit untersucht die Künstlerin die Kontinuitäten rechten Terrors in Deutschland von den 1980er Jahren bis heute. Hören und Zuhören sind wesentliche Aspekte der Installation, die sich von der politischen Instrumentalisierung von Trauer und Erinnerung abgrenzt. Feldmans Arbeit präsentiert u. a. Sprachaufnahmen von Überlebenden rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, Familien der Terroropfer und Initiativen, die gegen rechten Terror kämpfen. In ihrer Arbeit öffnet Feldman ein Panorama pluralistischen Erinnerns und macht die Vielfalt von Erinnerung und Zeug:innenschaft erfahrbar.
Talya Feldman untersucht in ihrer multimedialen Arbeit "The Violence We Have Witnessed Carries a Weight on Our Hearts" die Kontinuitäten rechten Terrors in Deutschland von 1979 bis heute. Sie präsentiert Sprachaufnahmen von Überlebenden rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sowie von Familien der Terroropfer und Initiativen, die gegen rechten Terror kämpfen.
Die raumgreifende Installation versammelt Dutzende von Stimmen aus 18 Städten, in denen Attentate und Anschläge stattgefunden haben – von der Ermordung von Raúl Garcia Paret und Delfin Guerra in Merseburg im Jahr 1979 bis zu den Morden an Ferhat Unvar, Said Nesar Hashemi, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin in Hanau im Jahr 2020.
Die Ausstellung stellt eine Landkarte Deutschlands mit Grundrissen der 18 Städte dar. Auf von der Decke hängenden Netzen – einem Material, das im Gerüstbau zum Schutz von Passant:innen vor herabfallenden Trümmern verwendet wird – sind Smartphones integriert, die in Sprachbotschaften die Überlebenden und Betroffenen der Anschläge zu Wort kommen lassen. Die Stimmen kommunizieren in einer komplexen Synchronisierung miteinander und bilden ein akustisches und auch visuelles Netzwerk: Die auf den Displays visualisierten Klangwellen verweisen auf das Format der Sprachnachrichten, die die Betroffenen während der Pandemie im letzten Jahr an Gedenk- oder Protesttagen untereinander verschickt haben, von Stadt zu Stadt, auf Deutsch, Türkisch, Englisch, Spanisch, Hebräisch und Französisch. Sie pulsieren wie Herzschläge, die zwischen den Menschen widerhallen und an die Gewalt und deren Opfer über Zeit und Raum hinweg erinnern.
Aus der Perspektive der betroffenen Menschen zeigt Talya Feldman, wie groß die Traumata für das Umfeld der Opfer auch nach den Anschlägen sind – bis heute. Die Stimmen in der Installation thematisieren auch die Rolle von Polizei, Verfassungsschutz und Justiz, die sich in zahlreichen Fällen zu spät und nicht ausreichend auf die Täter:innen aus rechten Netzwerken konzentrierten. So wurden bereits 1980 im Fall der Ermordung von Shlomo Lewin und Frida Poeschke die Täter zunächst im Umfeld der Opfer gesucht, obwohl verschiedene Hinweise für rechtsextreme Täter sprachen. Nicht zuletzt die Anschlagsserie des NSU und die Anschläge von Halle und Hanau haben gezeigt, wie mangelhaft der Schutz vor und die Aufarbeitung von rechtem Terror in Deutschland nach 1945 funktioniert hat. Seit 1945 wurden in Deutschland Hunderte Menschen Todesopfer rechtsextremer Gewalt. Diese Kontinuität macht Talya Feldmans Installation erfahrbar.
"In Talya Feldmans Arbeit wird Erinnern durch eine einmalige Vielfalt an Stimmen hör- und erlebbar. Dokumentarische Zeugnisse treffen auf persönliches Erinnern und werden komplex und eindrucksvoll miteinander verknüpft. Die Installation erzählt von tödlicher Gewalt, aber auch von Wut, Gegenwehr, Solidarität und Resilienz. In der Verbindung aus höchstem künstlerischem Anspruch, pluralistischem Erinnern, Ansprache und Aufforderung verkörpert Talya Feldmans Arbeit zentrale Aspekte jüdischer Wehrhaftigkeit und Selbstbehauptung", erklärt die Jury.
Der DAGESH-Kunstpreis wird am 20. Mai 2021 im Rahmen einer digitalen öffentlichen Preisverleihung überreicht. Die Installation von Talya Feldman wird vom 21. Mai bis Ende Juli 2021 im Jüdischen Museum Berlin ausgestellt.
Zur Künstlerin. Talya Feldman, geboren 1990 in Denver, Colorado, ist eine Medienkünstlerin, die derzeit in Hamburg arbeitet. Sie erhielt einen B.F.A. von der School of the Art Institute of Chicago und studiert aktuell an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Ihre Kunst wurde in Chicago, New York, Hamburg und zuletzt von dem Künstler:innenkollektiv Odessa Nomadic in Denver und dem Jüdischen Museum Frankfurt ausgestellt. Als Überlebende des rassistischen und antisemitischen Anschlags in Halle an Yom Kippur, am 9. Oktober 2019, erhielt Feldman Anerkennung für ihre nachfolgenden Projekte gegen rechten Terror in Zusammenarbeit mit dem Aktivistennetzwerk NSU-Watch.
www.talyafeldman.net
DAGESH-Kunstpreis:
Der Preis wird vom Jüdischen Museum Berlin und DAGESH. Jüdische Kunst im Kontext verliehen. Zur Jury des 2. DAGESH-Kunstpreis zählten Ilit Azoulay (Bildende Künstlerin), Sasha Marianna Salzmann (Dramaturgin und Schriftstellerin), Noam Brusilovsky (Hörspiel- und Theaterregisseur), Hetty Berg (Direktorin, JMB), Jo Frank (Director of Development, LBF), Gregor H. Lersch (Leiter Ausstellungen, JMB), Inka Bertz (Leiterin Sammlung, JMB) und Daniel Laufer (Kurator, DAGESH).
Den DAGESH-Kunstpreis 2018 erhielten Liat Grayver, Yair Kira und Amir Shpilman für ihre Installation "Open, Closed, Open". Das Kunstwerk wurde vom 21. Juni bis zum 11. August 2019 im Jüdischen Museum Berlin ausgestellt.
Der DAGESH-Kunstpreis und die Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin werden durch eine Förderung der Freunde des Jüdischen Museums Berlin ermöglicht.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.jmberlin.de und www. dagesh.de
DAGESH-Kunstpreis 2021 wird am 20. Mai an Talya Feldman verliehen
Am Donnerstag, dem 20. Mai wird die Künstlerin Talya Feldman mit dem 2. DAGESH-Kunstpreis für ihre Installation The Violence We Have Witnessed Carries a Weight on Our Hearts ausgezeichnet. Der mit 7000 Euro dotierte Preis wird vom Jüdischen Museum Berlin (JMB) und DAGESH. Jüdische Kunst im Kontext verliehen. Er stärkt eine neue und vielfältige Sichtbarkeit jüdischer Gegenwartspositionen und zeichnet Werke aus, die sich mit den Problemen der Gegenwart und der Frage von Zusammenleben auseinandersetzen. Das Thema des Wettbewerbes 2021 war "Wehrhafte Kunst".
Die Installation wird vom 21. Mai bis zum 1. August in der Eric F. Ross Galerie im Libeskindbau des Jüdischen Museums Berlin ausgestellt.
ÖFFENTLICHE DIGITALE PREISVERLEIHUNG AM 20. MAI
Beginn: 19 Uhr
Link: www.youtube.com
Begrüßung und Preisverleihung von Hetty Berg, Direktorin des Jüdischen Museums Berlin
Virtuelle Tour durch die Ausstellung mit der Künstlerin Talya Feldman, Julia Y. Alfandari, Programmkoordinatorin von DAGESH. Jüdische Kunst im Kontext, und Gregor H. Lersch, Leiter Ausstellungen und Kurator, Jüdisches Museum Berlin
Überlegungen zu "Wehrhafter Kunst" und Verabschiedung von Jo Frank, Geschäftsführer von DAGESH. Jüdische Kunst im Kontext/ Director of Development der Leo Baeck Foundation
Die Preisverleihung findet in deutscher und englischer Sprache statt.
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Gemeinsame Pressemitteilung zur Urteilsverkündung im Halle-Prozess am 21.12.2020
Der Verband der Opferberatungsstellen, der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Bundesverband RIAS) e.V., OFEK e.V. – Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung sowie die prozessbegleitenden Dokumentations- und Rechercheplattformen NSU Watch, Zentrum für demokratischer Widerstand e.V. – democ.de und Belltower News stellen zum mörderischen antisemitisch, rassistisch und misogyn motivierten Attentats in Halle (Saale) an Yom Kippur 2019 die Forderungen der Überlebenden des Attentats in den Mittelpunkt. (18.12.2020)